Deutsche Kriegsgräber in der Wüste waren oft mit Steinen bedeckt und umrandet. Die Steine verhinderten, dass Sand weggeweht wurde. (© Volksbund Archiv)
Gefechte in der Wüste: Gedanken zu den Kriegsgräbern Nordafrikas
#volksbundhistory erinnert an die Toten vergessener Kämpfe im Zweiten Weltkrieg
Zwischen September 1940 und Mai 1943 wurde Nordafrika zum Kriegsschauplatz. Bekannt sind vor allem die Schlachten um El-Alamein. Weniger Beachtung finden Kampfhandlungen an kleineren, unbekannten Orten. Aber auch dort gab es Kriegstote. Die amerikanische Militärhistorikerin Zita Ballinger Fletcher richtet den Blick auf Schicksale jenseits der Hauptgefechte.
Große Schlachten und berühmte Ortsnamen bilden oft die Schwerpunkte der Militärgeschichte. Krieg ist jedoch etwas Unberechenbares. Seine Gewalt erreicht auch abgelegene Orte, von denen man kaum etwas hört. In den offiziellen Berichten wird wenig über die Verluste mitgeteilt. Ein kleiner Ort und was dort geschah, ist dann schnell vergessen: eine nebensächliche Etappe zwischen großen Kämpfen.

Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unsere Autorin heute: Zita Ballinger Fletcher. Die amerikanische Militärhistorikerin arbeitet als Autorin und Journalistin.
Die Tragik kleiner Schlachten
Doch auch an solchen Orten hat sich für viele Menschen die ganze Welt verändert, weil dort das Leben ihrer Liebsten gewaltsam ein Ende fand. Die Folgen kleiner Schlachten sind vielleicht tragischer als die der großen, weil viele sie übersehen.
Die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Nordafrika dreht sich oft um die Schlachten von El-Alamein. Aber in der Geschichte des Wüstenkrieges finden sich viele große Herausforderungen für Befehlshabende, die heute noch von Bedeutung sind.
Rückzug im Wüstenkrieg
Die kleineren, aber nicht minder wichtigen Schlachten geraten in Vergessenheit. Dies gilt insbesondere für die Kämpfe während des Rückzugs der deutsch-italienischen Panzerarmee aus Ägypten im Winter 1942. Dies war eine chaotische Zeit im Wüstenkrieg, was für beide Seiten große Schwierigkeiten mit sich brachte.
Die britische 8. Armee unter der Führung von Generalleutnant Bernard Montgomery schritt so schnell voran, dass die Versorgung übermäßig beansprucht wurde, was zu großen Nachteilen führte.
Rommel und Montgomery
Die Panzerarmee unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel war unorganisiert und durch Materialknappheit eingeschränkt. Durch Nachschub in Libyen konnte sie an Stärke zurückgewinnen.
Im Dezember 1942 hatten beide Feldkommandeure großen Respekt voreinander, als sie sich in Libyen gegenüberstanden. Beide wussten um Stärken und Schwächen. Als Montgomery immer aggressiver wurde und versuchte, Rommel zu stellen, wurde der Rückzug der Panzerarmee blutiger.
Hitziger Kampf bei kleinem Dorf
Beide Armeen rangen über kilometerweite Distanzen miteinander. Viele Männer starben auf beiden Seiten – in der Nähe abgelegener Wüstenstädte oder im weiten Sand- und Dünengebieten.
Am 17. Dezember 1942 entwickelte sich ein hitziger Kampf in der Nähe von Nofilia, einem kleinen Dorf in der libyschen Region Sirte. Am Vormittag befanden sich Truppen des Deutschen Afrika Korps (DAK) und die Aufklärungsabteilung 3 etwa 10 bis 15 Kilometer in der Wüste südwestlich des Dorfes in einem heftigen Kampf gegen Truppen der 2. New Zealand Division.
Verzweifelte Lage
Die Neuseeländer kamen aus der Wüste. Um das Gebiet von Nofilia zu erreichen, mussten sie zunächst die tiefe Schlucht Wadi El Farigh umfahren und tauchten aus einer verlassenen Gegend rund um die Maradah-Oase auf. Es war Montgomerys Versuch, die deutschen Truppen schnell einzukreisen.
„Die Deutschen befanden sich in einer verzweifelten Lage, da die 7th Armoured Division von Osten hervorrückte und die 2nd New Zealand Division von hinten kam“, schrieb Montgomery.
Der Vernichtung entgangen
Rommel reagierte schnell und zog den Großteil seiner Truppen ab, allerdings nicht ohne Verluste. Auf dem Weg nach Nofilia selbst entging die 15. Panzerdivision nur knapp der Vernichtung. „Hart auf den Fersen der Division folgte die britische Hauptmacht. Es gelang der 15. Panzer Division jedoch in hervorragender Weise, die britische Vorhut zu zersprengen und sich unter geringsten Verlusten nach Nofilia durchzuschlagen”, schrieb Rommel.
Rommel hoffte, seine Truppen in Nofilia für einen kurzen Aufenthalt zu sammeln, aber das war nicht möglich. Das DAK und die Aufklärungsabteilung 3 bildeten Nachhuten, um anderen Truppen der Panzerarmee einen ordentlichen Rückzug zu ermöglichen. Dennoch waren sie von dem plötzlichen Auftauchen der Neuseeländer in der unmittelbaren Umgebung überrascht.
Erfahren im Kampf
Unter den DAK befanden sich einige erfahrene Wüstenveteranen, die schon lange gedient hatten. Auch die Neuseeländer waren erfahrene Soldaten im Wüstenkampf. Auf kleinem Raum entwickelte sich augenblicklich ein verbissener Kampf.
Der aggressive Montgomery beschrieb das Gefecht bei Nofilia als „scharf“, während der deprimierte Rommel es als „hart“ und „schwer“ bezeichnete.
Rückzug unter Bomben
Trotz knapper Benzinvorräte leisteten die deutschen Truppen kontinuierlich Widerstand. Unter schwierigen Umständen zerstörten sie 20 neuseeländische Panzer. Die Überlebenden und andere Truppen der Panzerarmee mussten sich weiter nach Westen zurückziehen.
Viele Truppen nutzten für ihren Rückzug die Küstenstraße, da es in der Wüste wenige befahrbare Straßen gab. Während des Rückzugs wurde diese Küstenstraße jedoch von Fliegern der Royal Air Force (RAF) bombardiert, was zu weiteren Verlusten führte.
Qualvoller, brutaler Krieg
In der Folgezeit zog sich Rommel, verfolgt von Montgomery, weiter durch Libyen und Tunesien zurück. Die Kämpfe tobten weiter durch die Wüste. Was in der letzten Phase des Wüstenkriegs geschah, beschrieb der berühmte amerikanische Kriegsreporter Ernie Pyle in seinem 1943 Buch „Here Is Your War“ als besonders brutal:
„Es war ein Krieg von durchdringendem Artilleriefeuer und unsichtbaren Minen und großen Garben aus Maschinengewehrfeuer – und sogar dem barbarischen Bajonett. Es war eine erschöpfende, qualvolle, verzweifelte Form des Krieges.”
Bemühen um würdige Gräber
Viele Tote wurden an abgelegenen Grabstätten in der Wüste zurückgelassen. Im Nordafrikafeldzug war dies in vielen Fällen für beide Seiten oft unvermeidlich. Aufgrund der langen Fahrstrecken, extremen Temperaturen und des rauen Geländes war es oft notwendig, die Gefallenen in der Nähe ihres Todesortes zu begraben.
Während sie durch die Wüste manövrierten, bemühten sich die deutschen Truppen, würdige Gräber für ihre Kameraden zu errichten. Um die Gräber zu markieren und auch zu verhindern, dass Sand weggeweht und die Toten freigelegt wurden, bedeckten die deutschen Truppen die Gräber mit Steinhaufen. Da es in der Wüste kaum Blumen gab, legten sie oft kleine Büsche an die Grabstätten. Manchmal wurden auch leere Kartuschen wie Kerzen neben den Gräbern aufgestellt. Diese sind auf Kriegsfotografien zu sehen.
Reihen weißer Steine
Der Kriegsreporter Pyle besuchte deutsche Kriegsfriedhöfe in der Wüste, nachdem er 1943 mit amerikanischen Truppen in Tunesien angekommen war. Er beobachtete ähnliche Grabstätten wie in Libyen.
„Die kleinen deutschen Friedhöfe waren immer mit Reihen weißer Steine umrandet, und in einigen waren klare Worte aus weißen Steinen auf dem Boden zu sehen, die auch umrandet waren“, schrieb Pyle.
Respekt gegenüber den Toten
Er war bewegt von der Menschlichkeit der Bemühungen, sich um die Kriegstoten in der Wüste zu kümmern. In einem Fall hatten die deutschen Truppen Wüstengräber für Amerikaner angelegt. Er berichtete:
„Auf einem deutschen Friedhof mit etwa hundert Gräbern fanden wir elf Amerikaner. Diese lagen unter den Deutschen, in keiner Weise getrennt. Ihre Gräber waren mit denen der Deutschen identisch, mit der Ausnahme, dass unter den Namen auf den Holzkreuzen das Wort ‘Amerikaner‘ eingeschrieben wurde, und darunter die Seriennummer der US-Armee. Mein Kamerad Sergeant Pat Donadeo besuchte mit mir den Friedhof, und als wir weggingen, sagte er: ‘Sie respektieren unsere Toten genauso wie wir ihre. Es ist tröstend, das zu wissen‘.”
Wunden heilen
In ganz Nordafrika gibt es Hunderte von Orten wie Nofilia, an denen sich verzweifelte Soldaten ihren letzten erbitterten Kampf lieferten. Viele dieser Orte werden in der Militärgeschichte kaum erwähnt. Deshalb sollten wir darüber nachdenken. Das Nachdenken über die Folgen einer Schlacht an einem kleinen Ort führt zu einem tieferen Verständnis der Kriegsrealität.
Der Volksbund erkennt den Wert des Menschen an und leistet der gesamten Menschheit einen großen Dienst, indem er weiterhin nach den Überresten der Gefallenen sucht. Allein die Suche nach den Toten hilft, die Wunden des Krieges zu heilen und Geschichte zu verstehen. Obwohl die Suche nach Kriegsgräbern in den Weiten Nordafrikas große Herausforderungen mit sich bringt, ist der Volksbund weiterhin aktiv auf der Suche nach den Gräbern der Gefallenen, um ihr Schicksal zu klären und ihnen eine würdige Bestattung zu ermöglichen.
Text: Zita Ballinger Fletcher
Lesetipps:
Ballinger Fletcher, Zita: Montgomery vs. Rommel at El Agheila 1942: Duel at the Gates of Egypt, Pen & Sword Military, 2025
Field Marshal Viscount Montgomery of Alamein: El Alamein to the River Sangro, Normandy to the Baltic, Arcadia Press, 1973
Pyle, Ernie: Here is Your War, The World Publishing Company, 1942
"Nordafrika: Gedenkveranstaltung und Einbettung in El Alamein,” von Simone Schmid, 2022, https://www.volksbund.de/nachrichten/nordafrika-gedenkveranstaltung-und-einbettung-in-el-alamein
#volksbundhistory
Ob der Beginn einer Schlacht, ein Bombenangriff, ein Schiffsuntergang, ein Friedensschluss – mit dem Format #volksbundhistory möchte der Volksbund die Erinnerung an historische Ereignisse anschaulich vermitteln und dabei fachliche Expertise nutzen. Der Bezug zu Kriegsgräberstätten und zur Volksbund-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Beiträge werden sowohl von Historikern aus den eigenen Reihen als auch von Gastautoren stammen. Neben Jahres- und Gedenktagen sollen auch historische Persönlichkeiten und Kriegsbiographien vorgestellt werden. Darüber hinaus können Briefe, Dokumente oder Gegenstände aus dem Archiv ebenfalls Thema sein – jeweils eingebettet in den historischen Kontext.
Der Volksbund ist...
… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
